I
100
C. Länderkunde,
H 153. Die Weichsel ist die Westgrenze der Preußischen Seenplatte,
Sie kommt bei Thorn auf preußisches Gebiet, verbreitert sich nach N und
endigt in der äußerst fruchtbaren Weichselniedernng. Die Eisschmelze im
Frühjahr führt deni niederen Weichselgebiet oft große Eismassen zu, die
verheerende Überschwemmungen veranlassen. Darum liegen die Städte
meist abseits vom Flusse aus dem höheren Landrücken: Thorn, Knlm,
Graudeuz, Marienwerder. Marienburg an der Nogat war der
Sitz des Hochmeisters der Dentschritter, dessen Schloß, die Marienbnrg,
würdig erneuert wordeu ist. Erst die deutscheu Ansiedler haben die früheren
ausgedehnten Sümpfe der niederen Weichsel in fruchtbares Ackerland um-
gewandelt. Auf dem festen Boden des Landrückens liegt links von der
Weichsel D irsch au mit großer Brücke für die nach Königsberg führende Bahn.
Aufgabe. Warum muß diese Brücke besonders stark gebaut sein?
Zeichnung: Die Weichsel vou Thorn bis zur Mündung. Das
Delta wird einbezogen. Nebenflüsse: Brahe und Elbing,
fi4. Blick auf das Schloß Marienburg und das niedrige, teilweise sumpfige Ufer-
gelände der Nogat.
$ 154. b) Die Pommersche Seenplatte trägt deu Turmberg. (Höhe?)
Sie ist ein unfruchtbares Sandgebiet und deshalb dünn bevölkert. Die
Tncheler Heide, ein einsames Waldgebiet, wird von der Brahe durch-
flössen. Einen Gegensatz hierzu bilden die fruchtbaren Flächen des Oder-
tales und Vorpommerns.
§ 155. Die Oder fließt durch eiu breites, wiefeureichestal und mündet in
das Stettiner Haff, das durch diezackigeujufelu Usedom und Wollin von der
Pommerschen Bucht getrennt wird. Beide Inseln besitzen vielbesuchte Seebäder.
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— 212 —
Mittelalter sehr bedeutend, sank mit dem Verfall der Hansa und litt
weiterhin besonders durch den dreißigjährigen Krieg und zur Zeit
Napoleons I. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts blühte er aber
wieder dermaßen empor, daß Stettin jetzt der erste deutsche Ostseehafen
ist. —- An der Küste ist die Fischerei die hervorragendste Be-
schäftigung. Sie nährt 14 °/0 der Gesamtbevölkerung Pommerns.
Leider beschränkt sie sich noch im wesentlichen ans Kleinbetrieb. —
Erwähnt seien noch die zahlreichen Seebäder mit ihrem lohnenden
Fremdenverkehr.
3. Ortstunde, a) Im Küstengebiet: S. 158—160. d) Im
Gebiet des pommerschen Seenrückens: S. 171. e) Im
Gebiet des mecklenburgischen Seenrückens lvorpommern):
S. 173.
4-. (Geschichtliches. Die geschichtliche Zeit Pommerns beginnt mit der
Einführung des Christentums durch Bischof Ltto von Bamberg. Ehedem von
selbständigen Fürsten regiert, verlor das Land durch Teilungen und Kriege
seine Selbständigkeit. Im Jahre 1648 erwarb der große Kurfürst Hinter-
pommern und das Bistum Kammin, 1657 Lauenburg und Bütow. Friedrich
Wilhelm I. erhielt im Frieden zu Stockholm Stettin und Vorpommern bis
zur Peene, und 1815 kam Neuvorpommern mit Rügen an Preußen.
3. Provinz Westpreußen.
1. Das Laud ist das Gebiet der unteren Weichsel. Das Durch-
bruchtstal der Weichsel teilt das Hügellaud in einen kleineren östlichen
Teil, welcher zum preußischen Seenrücken gehört, und in einen
größeren westlichen (Pommerellen), welchen man zum pommerschen
Rücken rechnet. Durch die Weichsel mit ihren Nebenflüssen wird
das Land zur Dauziger Bucht und zum frischen Haff (Nogat)
entwässert. Zahlreiche Seen tragen zum Wasserreichtum des Gebietes bei. —
Das Klima weist rauhes, wechselvolles Wetter auf. Der Winter ist lang
und streng und weist Kälteerscheinungen bis 25 °C. ans, der Sommer ist kurz
und heiß, Frühling und Herbst wie in Pommern. Die Fruchtbarkeit ist
im Weichseltal und besonders im Weichseldelta sehr groß, auf dem
Hügellande mäßig, in manchen Strichen (Tuchler Heide, Kafsubei)
dürstig. Uber 1i5 der Bodenfläche ist mit Wald bedeckt.
2. Bevölkerung und wirtschaftliche Verhältnisse. Die Be-
wohner sind zu 2/3 deutsch, 1/3 slavisch (Polen und Kassnben). Polen
und Kassuben bekennen sich zur katholischen, die Deutschen zur evange-
lischen Kirche. Im Weichseldelta und aufwärts bis Marienwerder gibt es
(12000) Mennoniten. Die Volksdichte bleibt weit hinter dem Reichs-
durchschnitt zurück (61 auf 1 qkrn). —Der bedeutendste Erwerbszweig
der Bevölkerung ist die Landwirtschaft, die sehr emsig, mit Einsicht
und Erfolg betrieben wird. Die Viehzucht hat hinsichtlich der Pferde-
und Schafzucht einen günstigen Stand, bleibt sonst aber hinter dem
Staatsmittel zurück. Doch ist iu der Weichselniedernng auch die Rinder-
zncht vou Bedeutung. Die Gebiete an der See und am frischen Haff
sind für die Fischerei sehr günstig; doch ist der Fischereibetrieb noch in
hohem Maße entwicklungsfähig. Bedeutend ist auf Hela der Fang
von Heringen, Flundern, Aalen und Lachsen; im Haff bei Elbing werden
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Extrahierte Personennamen: Napoleons_I. Friedrich Wilhelm_I.
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Friedrich I. am ls. Januar zu Königsberg als „König in Preußen." Den
Titel „König von Preußen" nahm Friedrich'der Große an, als er das Erme-
land und Westpreußen 1.72 erwarb. — Ostpreußen war der Schauplatz mancher
erbitterten Kämpfe zwischen den Rittern, Littauern und Polen, so bei Tannen-
berg und Marienburg 1410, ist bekannt durch die Verträge zu Labiau (165g)
und Wehlau (1657), sah die blutgetränkten Schlachtfelder" bei Pr. Eylau und
Friedland im Unglücksjahre 1807 und den schmachvollen Frieden zu Tilsit 1807.
3. Provinz Posen.
1—3 ist einheitlich behandelt auf S. 177—180.
4. Geschichtliches. Posen gehörte ehemals zum polnischen Reiche. Von
dem Gebiete des Posener Landes ging die Entwickelung des Polenreichs und
die Verbreitung des Christentums unter den Polen aus. In der ersten Teilung
Polens 1772 siel der nördliche Teil der Provinz, der „Netzebezirk", an Preußen
und wurde mit Westpreußen zusammen verwaltet. Der Südteil Posens kam in
der 2. Teilung Polens 1793 mit „Südpreußen" an Preußen. Dann gehörte
das Gebiet der Provinz von 1807—1814 zum Großherzogtum Warschau und
kam im Wiener Kongreß als Provinz Posen wiederum an Preußen. 1848
war die Provinz der Herd eines Polenaufstandes.
6. Provinz Schlesien.
1. Das l*aitb. Schlesien, die größte der Provinzen, umfaßt a) den
deutschen Anteil an den Sudetenketten mit dem Lansitzer- (Ostteil),
Jser- und Riesengebirge, dem Waldenburger und Enlengebirge und dem
Glatzer Gebirgskessel, b) denschlesischenlandrücken mit der Tarnowitzer
Platte, den Trebnitzer Hügeln, Grünberger Höhen, dem niederschlesischen
Heidegebiet und c) die mitlelschlesische Ebene zu beiden Seiten der Oder.
Der äußerste So. der Provinz gehört zum Weichselgebiet, der äußerste
Nw. zum Gebiet der Elbe. Entwässert wird des Land von der Oder
und ihren Nebenflüssen: r. Klodnitz, Malapane, Stvber, Weide,
Bartsch; l. Oppa, Glatzer Neiße, Weistritz, Katzbach, Bober mit Queis
und Lausitzer Neiße.
Das Klima zeigt in der schleichen Ebene ein Jahresmittel von
80 C. Im übrigen entscheidet die Höhenlage eines Ortes. Die
Fruchtbarkeit des Landes ist besonders groß längs des Gebirgs-
süßes; wenig Fruchtbarkeit herrscht im Gebiete des südlichen Landrückens,
besonders im Heidegebiet (Kiefernforsten) von Niederschlesien. Auf den
Hügeln von Grünberg Weinbau. Etwa 29°/o des Bodengebiets
sind mit Wald bestanden. Das Oberschlesische Becken enthält große Lager-
vorzüglicher Steinkohle, auch Eisen-, Zink- und Bleierze. Ober-
schlesien ist das erste Zinkland der Erde. Steinkohlen finden
sich auch im Waldenburger Gebirge.
2. Bevölkerung und wirtschaftliche Verhältnisse. Die Bewohner
sind zum weitaus größten Teile Deutsche; nnr etwa x/± der Bevöl-
kerung ist slavischer Abstammung. Zu deu Slaveu gehören die
Polen im südöstlichen Oberschlesien, größtenteils r. der Oder bis zur
Mündung der Weide, die größtenteils deutsch redeudeu Mähren in den
Kreisen Ratibor und Leobschütz, die Tschechen in der Grafschaft Glatz
und die Wenden in der Niederlausitz. Der größere Teil der Bevöl-
kerung ist katholisch, der kleinere evangelisch, und zwar überwiegen
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— 166 —
Am Danziger Haupte teilte sich ehedem der Weichselstrom in zwei Arme.
Die El bin g er Weichsel sloß nach O. und mündete mit 17 Armen ins frische
Haff. Im Laufe der Zeit ist sie größtenteils versandet und 1895 ganz abgedeicht.
Der Weichsel-Hasfkanal führt s. des Weichselarmes vom Danziger Haupt
zum Haff. — Die Danziger Weichsel hatte ihre alte Mündung bei Neu fahr-
wasser und Weichsel münde, n. von Danzig. Da durchbrach der Strom
im Frühjahr 1840 die Düne bei Neufähr und schuf sich hier eine neue
Mündung. Da sich aber im Laufe der Jahre die Eisgangsgefahren immer
mehr steigerten, hat man 1895 vom Danziger Haupt ab einen Durchstich zur
Ostsee bewirkt, der auf dem kürzesten Wege das Weichsel wasser
zur Ostsee führt. Der neue Kanal ist 7 km lang, von starken Steindämmen
eingefaßt und endet bei Schiewenhorst. Die Danziger Weichsel ist durch-
deicht und zu einem stillen Waffer von fast 5 in Fahrtiefe geworden, das durch zwei
Kanäle, für Schiffahrt und Flößerei, mit dem Strom in Verbindung gebracht
ist. Dieselben sind durch Schleusen vor Hochwasser und Eisgang' geschützt.
Die Mündung bei Neufähr ist dem Versanden preisgegeben.
2. Werfen wir endlich noch einen Blick auf die Bevölkerungs-
Verhältnisse des preußischen Landrückens, die in mannigfacher Hinsicht
von großem Interesse sind. Als der Orden 1230 in das Preußenland kam,
bestand die Bevölkerung aus dem gotisch-lettischen Volk der alten Preußen und
dessen Brudervolk, den Littauern. Erstere gingen im Kampf mit dem
£rden unter oder wurden im Germanisationsprozeß aufgesogen. Die etwa
120000 Littauer im Memelgebiet sind Nachkommen jener alten Littauer und
gehören wie die etwa 400 Kuren aus der kurischen Nehrung und am Haffufer
zu der lettischen Bölkersamilie. Unter dem Schutze des Ordens siedelten
sich zahlreiche Deutsche aus den verschiedensten Gebieten des Reichs an:
Friesen und Holländer im Weichseldelta, Niederdeutsche in den n.
Niederungsgebieten, im Hügellande vorzugsweise Mitteldeutsche aus Thüringen,
dem Harz, den s chlesischen Gebirgen und Böhmen, Oberdeutsche aus
Franken und Schwaben und aus dem Elsaß. Im Oberlande und in
weiten Strichen des Ermelandes hört man auch heute noch eine oberdeutsche
Mundart. Endlich sind als deutsche Einwanderer noch die Salzburg er aus
der Zeit Friedrich Wilhelms I. zu erwähnen.
Trotz ihrer ursprünglichen Stammesunterschiede verschmolzen die
deutschen Einwanderer mit dem gleichen Ringen im Kampfe ums Dasein,
im gemeinsamen Ertragen schwerer Zeiten und in der allgemeinen Be-
hauptung ihres Deutschtums in dieser vorgeschobenen deutschen Ostmark zu
dem einheitlichen, markigen Stamm der Ostpreußen, der sich namentlich
durch hohes Selbstgefühl, eine gewisse Abgeschlossenheit und stark entwickelten
Heimatsstolz auszeichnet und durch seine Biederkeit und Gradheit allgemein
bekannt ist. Die Deutschen machen heute fast 4/5 der Bevölkerung aus.
In die durch Krieg und Pest entvölkerten s. Gebiete des Prenßen-
landes drang früh slavische Bevölkerung ein. Zn den Slaven
gehören die etwa 100000 Masuren im sö. Ostpreußen, die einen
polnischen Dialekt reden und mit den zahlreichen Deutschen jener
Gegenden in friedlich nachbarlichem Verhältnis leben, ferner die Polen
im Knlmerlande zwischen Weichsel und Drewenz und im Kreise Stuhm
s. vom Weichseldelta. Sie stammen aus der Zeit der Polenherrschaft, die
sich von 1466 bis 1772 über ganz Westpreußen und das ostpreußische Ermeland
ausdehnte. — Die Polen und die deutschen Ermeländer sind katholisch,
während alle übrigen Bewohner, auch die Masuren und Littauer, durch-
weg evangelisch sind.
Die Hauptnahrungsquelle der Bevölkerung ist die Land-
Wirtschaft mit ihren verschiedenartigen Zweigen. Hervorzuheben ist
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— 168 —
unter polnischer Herrschaft und büßte viel von ihrer Macht und ihrem Handel
ein, wurde auch unterdrückt und wegen der Glaubensfreiheit verfolgt'(1724
Thorner Blutbad). Jetzt zählt die Stadt zu den wichtigsten Handels-
plätzen des ö. Binnenlandes und ist auch sehr gewerbreich („Thorner
Pfefferkuchen"). Große Eisenbahnbrücke, Geburtsort von Kopernikus.
Kulm^, aus dem rechten hohen Weichselufer 2 km vom Strome gelegen, erhielt
vom Orden als erster Ort Stadtrecht, das fast auf alle Städte des Ordens
landes übertragen wurde. Daher spricht man heute noch von „kulmischem Recht",
„kulmischem Maß" und „kulmischen Morgen und Hufen". Unter der Ordens-
herrschaft^ftand die Stadt in hoher Blüte und war Hansastadt, sank aber seit
dem 2. Thorner Frieden (1466) immer mehr und hat ihre alte Bedeutung
nicht wieder erlangt. Graudenz, Weichselstadt mit lebhafter Gewerb-
tätigkeit, Schiffahrt und Handel; große Weichselbrücke, schöne und
fruchtbare Umgegend, 2 km n. der Stadt die Feste Conrbiere^
von Kaiser Wilhelm Ii. so benannt nach dem tapfern Verteidiger der-
selben im Kriege 1807. — Marienwerder, Reg.-Bez.-Hptst. ein.
der untern Liebe, unweit der Weichsel, Sitz des Oberlaudesgerichts der
Provinz Westpreußen. Die alte Domkirche birgt die Grabstätte von drei
Hochmeistern. — Strasburg in W.-Pr., an der Drewenz unweit der
polnischen Grenze. — Deutsch-Eylau, am Südende des Geserich-
sees, Kreuzungspunkt der Thorn-Jnsterbnrger und Marienburg-Mla-
waer Bahn.
Werder st übte: Dirschan, verkehrsreiche Handelsstadt am linken
Weichselufer mit großem Bahnhof und der ältesten Weichselbrücke
Preußens, neben welcher eine neue mit zwei Bahngeleisen gebaut ist. —
Marienburg, am rechten Ufer der Nogat, einst die Hptst. des Ordens-
landes, „des Ordens Haupthaus" und der feste Sitz der Hochmeister.
Die Stadt hat wie keine andere die Geschicke des Ordens geteilt, und mit ihrem
Fall (1466) war auch die Macht und Bedeutung des Ordens dahin. Das-
wiederhergestellte alte Ordensschloß (von Friedrich Wilhelm Iv. begonnen) mit
seinem großen Remter und der Hochmeiftergruft erinnert an des Ordens-
einstige Größe. „Die großen Säle, der Konventsremter und der Hochmeister-
remter sind vollendete Meisterwerke der gotischen Baukunst und haben mit
ihren wundervollen Spitzbogengewölben, die auf schlanken Palmpfeilern ruhen,
nur wenig Ebenbürtiges in der Welt." (Lullies, Oft und Westpreußen). —
Elbing (53 Tsd. E.), bedeutende Handels- und Industriestadt am
Estingfluß, der aus dem Dransensee kommt. Durch diesen, den ober-
ländischen Kanal und den Sorgefluß ist dem Elbinger Handel ein
weites Hinterland geöffnet. Elbing ist die größte Stadt im Gebiete
der preußischen Seenplatte, weltberühmt durch die Maschinenfabrik und
Schiffswerft von Schichau, welche die besten Torpedoboote liefert.
Im Jahre 1237 von Lübeckern in der Nähe des alten Handelsortes Truso
gegründet, wurde die Stadt früh Hansamitglied, blühte zur Ordenszeit, verfiel
zur Polenzeit, litt schwer im unglücklichen Kriege und hat sich erst seitdem
wieder emporgeschwungen. Die Umgegend (Elbinger Höhen) gehört zu beiz
schönsten Partien im Gebiete des Landrückens.
b) Der pommersche Seenrücken.
Der pommersche Seenrücken umfaßt die Hügellandschaften von
Hinterpommern, Pommerellen und Kassnben. Den Kern
der ganzen Landschaft bildet ein Höhenzug, der in nordöstlicher Richtung
größtenteils auf der Grenze von Pommern und Westpreußen hinstreichk
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Schichau
— 157 —
das frische Haff, umsäumt von dem dunkeln Waldbande der großen kapor
uischen Heide.
Ottskunde.
ki) In Ostpreußen: Memel, am „Memeler Tief," nörd-
lichste Stadt des Deutschen Reichs; Handelsplatz für Holz, Getreide,
Flachs (Ausfuhr) und Kohlen (Einfuhr). Handel und Reederei sind
in den letzten Jahren sehr zurückgegangen, teils infolge der Zoll-
schränken, teils ans Mangel an Binnenverkehrsstraßen, die das Hinter-
land erschließen. S. von der Stadt führt der König-Wilhelm-Kanal
nach der untern Minge, von wo aus die Binnenwasserstraße sich durch den
Ruß memelaufwärts und durch die Gilge und den großen Friedrichsgraben zur
Seime und von hier zum Pregel fortgesetzt. — Cranz, bedeutendes
Ostseebad am Südende der knrischen Nehrung, durch Eisenbahn mit
Königsberg verbunden. — Königsberg i. Pr.*), (188 Tsd. E.), un-
weit der Pregelmünduug gelegen. 1225 durch den Orden angeblich auf den
Rat Ottokars von Böhmen erbaut, entwickelte sich Königsberg als Handelsplatz
bedeutend und bestand bis 1724 aus drei Städten: der Altstadt mit dem
Schloßbezirk, dem von den Pregelarmen umschlossenen Kneiphof mit dem
Dom und dem Löbenicht. Seit dem zweiten Thorner Frieden Sitz des
Hochmeisters, war sie später Residenz der Herzöge und wurde 1701 die Krönungs-
stobt der preußischen Könige mit dem Titel einer „Kgl. Haupt- und Residenzstadt".
Heute ist K. die Hst. der Provinz, Festung I. Ranges mit
zahlreichen, weit vorgeschobenen Forts nnd.ein bedeutender Handels-
pl atz für Getreide, Holz, Flachs, Kohlen und Kolonialwaren. Doch
hat der Handel infolge der Zollschranken wesentlich gelitten, so daß
Königsberg darin von dem aufstrebenden Stettin überflügelt worden
ist. Auch das Großgewerbe (Maschinenbau, Bernsteinwaren, Bier
und Spiritus, Leder) ist hervorragend. Zu den Sehenswürdig-
feiten gehören das Schloß mit den Kaiserzimmern und dem
Moskovitersaal, das mit Gärten umrandete große Becken des Schloß-
teichs, die Universität, 1544 von Herzog Albrecht gestiftet, die
Königsdenkmäler, die Börse, der Dom und das Museum. In der
Umgegend die herrlichen Anlagen der „Hufen". — Pillan, befestigter
Vorhafen von Königsberg am „Pillauer Tief", mit lebhaftem Verkehr
besonders auch im Winter, wenn Haff und Pregel zugefroren sind.
b) In We st Preußen Danzig (141 Tsd. E.), alte Seehandels-
stadt am Einfluß der Radaune in die Mottlau, unweit der alten
Weichselmündung gelegen. D. war bereits um 1000 Hauptstadt von
Pommerellen. Dieses kam mit Danzig 1309 an den Orden, 1466 an Polen;
bei der 2. Teilung Polens 1793 siel die Stadt an Preußen. Heute ist D. die
Hst. von West Preußen. Als Stapelplatz der Erzeugnisse des weiten
Weichselgebiets, sowie als Einfuhrhafen des Hinterlandes war die Stadt
von jeher von großer Bedentuug, wenn auch neuerdings die Zoll-
schranken die Entwickelnng etwas eingeengt haben. Zweiter deutscher
Ostseehafen, Haupthaudelsvlatz für Getreide, Holz, Kohlen und
Kolonialwaren. Auch das Großgewerbe ist bedeutend, namentlich
*) Wirkungsstätte berühmter Männer: Kant, Herbart, Fichte, Bessel,
Rosenkranz.
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Extrahierte Personennamen: Cranz Ottokars Königsberg Albrecht Albrecht Herbart Bessel
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auch Neunaugen gefangen. — Die Industrie ist nur in Danzig und
Elbing hervorragend. Die Danziger Wersten und die Schichausche
Fabrik mit dem Bau von Torpedobooten, sowie die ,,Thorner Pfeffer-
knchen" haben Weltruf. Der Handel knüpft sich in erster Linie an
die Weichsel- und Weichseldeltastädte (Danzig, Elbing, Thorn) und
wird durch deu Weichselstrom, die See und ein ausreichendes Bahnnetz
gefördert.
3. Ortskunde, a) Im Küstengebiet: S, 157 fg. I») Im
Gebiet des preußischen Seenrückens S. 167 fg. c) I m Hügel-
lande von Pommerellen: S. 171.
4. Geschichtliches. Westpreußen teilte bis zum 2. Thorner Frieden
1466 das Geschick des Ordenslandes Preußen, stand dann bis 1772 unter
polnischer Herrschaft und kam bei der ersten Teilung Polens an Preußen.^Nach
dem Frieden zu Tilsit war Danzig vorübergehend ein Freistaat, und Thorn
gehörte mit einzelnen Strichen im Süden zum Großherzogtum Warschau. Bis
1876 bildete Westpreußen sodann mit Ostpreußen die „Provinz Preußen".
Diese wurde in dem genannten Jahre in die Provinzen Ostpreußen und West-
Preußen geteilt.
Provinz Ostpreußen.
1. Das ist das östlichste des Deutscheu Reichs und breitet
sich im Gebiet des preußischen Seenrückens und um die untere Memel
und den Pregel aus. Die Ostsee dringt mit dem frischen und
dem kurischen Haff tief ins Land ein. Zwischen diesen beiden,
durch Nehrungen seewärts abgegrenzten Haffen liegt die bernstein-
reiche Halbinsel Samland. Tie größten Küstenflüsse sind Passarge
und Frisching; die größten Landseen sind Spirding-, Mauer-
see und der Löwentinsee. — Ostpreußen hat von allen
Ländern des deutschen Tieflandes das ranhefte Klima.
Die Nachtfröste beginnen bereits im Oktober und endigen erst Ende
Mai. Die Fruchtbarkeit ist sehr verschieden. Die fruchtbarsten
Striche weisen die wiesenreichen Niederungen um Memel und Pregel
auf. Unfruchtbarer Saudbodeu herrscht auf den beiden Nehrungen und
in den südlichen Landesteilen vor. Auch zahlreiche kleinere Moorflächen
finden sich im Lande zerstreut, größere kommen im Memelgebiet vor.
Großartige Kiefernforsten, Laub- und gemischte Waldbestäude. — (18°/o
des Bodens ist Waldland). — Die wichtigsten Landschaften Ostpreußens
sind Oberland, Ermeland, Natangen, das bernsteinreiche Samland, ferner
Littauen und Masureu.
2. Bevölkerung und wirtschaftliche Verhältnisse. S. 166 fg.
3. Ortskuude. a) Im Küstengebiet: S. 157. b) Im
Gebiet der preußischen Seenplatte: S. 167.
4. Geschichtliches. Ostpreußen ist das zweite der Stammländer des
preußischen Staates. Es hat demselben die Königswürde und den Namen
gegeben. Bis zum 2. Thorner Frieden 1466 zum Ordensstaate gehörig, bildete
es bis 1525 den von Polen abhängigen Lrdensstaat Preußen, zu dem indes das
Ermeland nicht gehörte. Die Hauptstadt war Königsberg. Im Jahre 1525
nahm der letzte Hochmeister, Albrecht von Hohenzollern,'den Herzogstitel an.
Bis 1618 hatte das Land eigene Herzöge und stand unter Polens Oberhoheit.
Tann fiel es an Brandenburg. Die Unabhängigkeit erwarb indes erst der
große Kurfürst im Frieden zu Oliva 1660. Im Jahre 1701 krönte sich
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Extrahierte Personennamen: Königsberg Albrecht_von_Hohenzollern Albrecht
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sind meist lichthaarig und blauäugig, von kurzer, gedrungener Gestalt und
breiten, wenig ansprechenden Zügen. Ihrem Charakter nach sind sie gutmütig,
freundlich, gastfrei und zuvorkommend. Die Jahrtausende lange Unterdrückung
seitens der verschiedensten Volksstämme hat sie geduldig und fügsam, schüchtern
und mißtrauisch gemacht. In dieser Hinsicht sind ihre Stammesverwandten,
die ehedem so kriegerischen Littauer, anders geartet. Der Lette ist anstellig und
gelehrig, ein arbeitsamer Ackerbauer, Hirte und Handwerker. Seine Sprache ist
überreich an Ausdrücken der Zärtlichkeit, an Liebkosungs- und Verkleinerungs-
Wörtern. Der größte Teil der Letten ist evangelisch. Neuerdings hat sich
in dem halbgebildeten „Jung l et ten t um" das Bestreben breit gemacht, für
Herstellung einer großlettischen Nationalität zu wirken. Ein eigentümlicher
Zug dieser junglettischen Richtung ist der Deutschenhaß.
Ortskunde. In Kurland: Li bau, hat im letzten Jahrzehnt als
Hasenstadt durch Verbesserung seiner Hasenverhältnisse und Vermehrung der
Getreideausfuhr sehr gewonnen. Mit au, alte Residenz der ehemaligen Herzöge
von Kurland. — Dünaburg, Festung an der Düna, lebhaste Handelsstadt.
In Livland: Riga (283 Tsd. E.), bedeutender Seehafen an
der Dünamündung, einst Hauptsitz des Ordens der Schwertbrüder und
später mächtige Hansastadt, heute der zweite russische Ostseehafen und
Hauptausfuhrort für die landwirtschaftlichen Produkte der Hinterländer.
Über Riga werden Getreide, Flachs, Hanf, Leinsamen, Holz, Balken und
Bretter, ja auch kleine Mengen von Naphta und russischem Petroleum
ausgeführt. —Dorpat, alte deutsche, der Russifizieruug anheimgefallene
Universitätsstadt.
Jn Efthland: Reval, Hafenstadt am sinnischen Meerbusen, weniger
wichtig als Riga und Libau. — Noch unbedeutender ist N arw a am sinnischen
Meerbusen.
In Jngermannland: Petersburg (mit Vororten 1,4 Mill. E.),
prächtige, modern aufgebaute Haupt- und Residenzstadt an der Newa,
erste Handelsstadt des Reichs und Hauptsitz der Kunst und Wissenschast
in Rußland. Als Sitz des Hofes und der obersten Verwaltungs-
behörden und als Wiuteraufeuthaltsort des reichen russischen Adels ist
Petersburg der wichtigste Eiufuhrplatz für ausländische Artikel. Infolge
der zahlreichen günstigen Wasserstraßen und Bahnen, welche die Stadt
mit den Hinterländern verbinden, ist sie zugleich wichtigster Ausfuhr-
Hafen aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse derselben. In ihrem äußern
Ansehen stellt die Stadt mit ihren vielen modernen Großbauten und Palästen,
sowie in dem Leben der Bewohner des modernen Rußland einen Gegensatz zu
dem altrussischen Moskau dar. Die schönste Straße, die Promenade der vor-
nehmen Welt, ist der Newskiprospekt. 5 km lang und sehr breit. Von
den großartigen Palästen seien hier der Winterpalast und der Marmor-
Palast erwähnt, unter den vielen Denkmälern das Denkmal Peters des Großen
und Katharinas Ii. — Kronstadt, stark befestigte Vorstadt von P.,
auf einer von Klippen umgebenen Insel, Hauptstation der Ostseeflotte.
— Schlüsselburg, starke Festung.
e) Das westrussische Tiefland umfaßt die Landschaften West-
rußland, Wolynien, Polen und Littauen. Das größten-
teils ganz ebene Gebiet wird im N. von Düna und Njemen, im
W. von der Weichsel mit Bug und Narew, im O. vomdnjepr
durchflössen, der rechts die Berefina und den Pripet aufnimmt.
Um den Pripet dehnen sich die Rokitnosümpfe aus, das größte
Sumpfgebiet Europas, dreimal so groß als die Provinz Posen. Die
Sumpfwaldungen machen oft den Eindruck von feuchten Urwäldern.
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Ein solcher Sumpfurwald ist die Bialowiczer Heide, in welcher
noch der Ur (Auerochs) gehegt wird. Im übrigen hat das westrussische
Tiefland bei einer durchschnittlichen mittleren Jahrestemperatur
von 6—80 C. guten Getreideboden, namentlich in den Strom-
Niederungen des Dnjepr und im Flachlande um die Weichsel. Außer-
dem ist das Tieflaudsgebiet auch sehr wald- und wildreich.
Das westrussische Tiefland ist verhältnismäßig dicht bevölkert,
namentlich in Polen, wo 74,3 Köpfe auf 1 qkm kommen. Das Gebiet
des Njemen bewohnen die Littauer, eiu lettischer Volksstamm
katholischer Konfession, der etwa 11/2 Mill, Köpfe zählt. Die Be-
wohner voin eigentlichen „Westrußland" find die griechisch-orthodoxen
Weißrussen, und das Gebiet vom russischen Polen haben die
katholischen Polen inne. Weißrussen und Polen sind Slaven.
Die ganze Bevölkerung des westrussischen Tieflandes ist stark mit
I u d e u gemischt.
Die Weißrussen (3x/2 Mill.) sind von mittelgroßer hagerer Gestalt und
haben in der Regel hellblondes, gelbliches Haar. Es sind gutmütige, friedliche,
arbeitsame, aber ärmliche Leute, die der Kampf mit dem Elend des Daseins und
der Druck politischer Verhältnisse degeneriert hat, Jahrhunderte hindurch stand
Weißrußland unter polnischer Herrschaft, und die griechisch-orthodoren Bauern
wurden von den katholischen polnischen Edelleuten geknechtet. Erst seit Auf-
Hebung der Leibeigenschaft (1861) fangen die Weißrussen an aufzuatmen. Neuen
Sitten und Einrichtungen ist der Weißrusse abgeneigt und hält in Sprache,
Gewohnheiten und Kleidung an Althergebrachtem mit Zähigkeit fest. Dem Hang
zur Absonderung ist es auch zuzuschreiben, daß in Weißrußland Dörfer selten,
Einzelgehöfte aber um so häufiger sind. Eine häufig vorkommende Krankheit
unter den Weißrussen ist der Wdchfelzops.*) Die unabsehbaren Wälder Weiß-
rußlands sind ein wahres Eden für Bärenjäger und waren zur Blütezeit des
polnischen Reichs das Hauptjagdgebiet der polnischen Könige.
Die Polen sind im russischen Reiche mit 7 Mill. Köpfen vertreten, wovon
6 Mill. auf Las eigentliche russische Polen kommen. Sie bestehen aus mehreren
nahe verwandten Volksstämmen (Großpolen, Masuren, Krakowiaks) und sino
im ganzen ein mittelgroßer, schöner, schlanker Menschenschlag vom reinsten
slavischen Typus. Man rühmt an ihnen von jeher Liebenswürdigkeit in der
persönlichen Erscheinung, Gastfreiheit und angeborenes Schönheitsgefühl, leichte
und schnelle Auffassungsgabe, Rasch und lebhaft ist ihr Empfinden, glühend
ihre Liebe für ihr Volkstum, ihre angestammte Sprache und ihre Religion.
Doch wirft man dem Polen auch Leichtsinn, Zügellofigkeit und Unzuverlässigkeit
vor. Im Russen sieht der Pole seinen Todfeind und Unterdrücker, den Vernichter
seiner politischen Selbständigkeit. Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Polen sind
durch einen ungemein zahlreichen Adel gekennzeichnet, der ziemlich 1 % der
Bevölkerung ausmacht und ehedem mit ganz bedeutenden Vorrechten ausgestattet
war. Viele der polnischen Landedelleute (Schljachtitschen) leben in äußerst
dürftigen Verhältnissen. Die Bauern schmachteten bis in die neueste Zeit
unter der drückendsten Leibeigenschaft. — Der Lieblingstanz der Masuren, die
Masurka, hat die Runde durch die ganze zivilisierte Welt gemacht, während der
Krakowiak wenigstens auf den Bühnen heimisch geworden ist. — (Außer den
Polen im russischenreiche gibt es 2,8 Mill. Polen im preußischen Staate
und 3,7 Mill. in Österreich-Ungarn. Sehr viele Polen haben jenseits des
Ozeans eine neue Heimat gesucht. Tie Gesamtzahl aller Polen dürfte 15 Mill.
betragen.
*) Der Weichselz'opf ist eine Haarkrankheit. Das Haar schwitzt eine
klebrige Feuchtigkeit aus und versilzt sich zu undurchdringlichen Massen, welche
in dicken Strähnen vom Haupte herabhängen. Ungesundes Klima, verdorbene
Luft, schlechte Wohnungen und mangelhafte Ernährung befördern diese Krankheit.
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